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CORPORATE ARCHITECTURE

INDUSTRIEDESIGN

Allgemein
Siemens-Wernerwerk-II-Berlin-Siemensstad

Im Rahmen der Industrialisierung stieg Berlin als wichtigster Standort großer Unternehmen der deutschen Elektroindustrie zur Elektropolis auf. Bezugnehmend auf die 18. docomomo Tagung 2021 mit dem Thema "Architektur der Moderne: Infrastruktur und Versorgungstechnik" werden ausgewählte Ansätze der Corporate Architecture von den Unternehmen AEG und Siemens analysiert, die beide ihren Schwerpunkt bei Elektrizitätswerken und -hallen haben und Vorreiter in der Elektroindustrie sind.  

Dabei werden besondere Erkennungsmerkmale und Schwerpunkte ihrer Architektur hervorgehoben. Verglichen werden die historischen Gebäude aus den Anfängen der Elektrizitätswerke um 1910, da sie zu den wichtigsten und berühmtesten Industriebauten des 20. Jahrhunderts zählen und einen großen Meilenstein in der industriellen Revolution gebildet haben.

WAS IST CORPORATE ARCHITECTURE?

Corporate Architecture ist eine Unterkategorie von Corporate Design.

Das Ziel davon ist die Unternehmensphilosophie durch architektonische Zeichen und aufsehenerregende Bauwerke zu demonstrieren​. 

Durch die immer ähnlich gestaltete Architektur sollen der Wiedererkennungswert und die Marke verdeutlicht werden​.

Corporate Architecture arbeitet mit dem Prinzip des Bilbao-Effekts, benannt nach dem futuristischen Guggenheim-Museum in Bilbao. Dieser Effekt bezeichnet die gezielte Aufwertung von Orten durch spektakuläre Bauten.

Corporate Architecture wurde erstmals in den 1910er Jahren in der Elektroindustrie umgesetzt. So wie das Corporate Design wird sie auch heute noch als Leitfaden für Unternehmen umgesetzt und ist zum Standard geworden.

Historie

HISTORIE

Der Einsatz von Elektrizität hat das Leben und die Industrie grundlegend verändert. 1882 erfand der Amerikaner Thomas A. Edison die Glühbirne und legte damit einen Grundstein für eine neue Epoche elektrischen Fortschritts. Nach der Veröffentlichung verbreitete sie sich schnell in Europa und auch in der deutschen Hauptstadt Berlin. Dort wurde das elektrische Licht schnell genutzt um Straßen, öffentliche Gebäude (z.B. Theater und Banken) und Geschäfte zu versorgen. Neben wenigen Großstädten in den USA war Berlin das Zentrum der weltweiten Elektroindustrie. Bis heute ist die Berliner Elektroindustrie die stärkste Branche der Stadt.
Ab den 1920er Jahren wurde Elektrizität zum Standard, um 1950 herum auch für Haushalte, und verbreitete sich von Berlin aus in ganz Deutschland. Um diese Versorgung zu ermöglichen wurden große Elektrizitätswerke gebaut. Die ersten Werke aus Berlin gelten heute als wichtigste und berühmteste Industriebauten des 20. Jahrhunderts. Auch jetzt stehen diese technischen Anlagen noch als Symbol für  die "zweite industrielle Revolution" und prägen die Denkmallandschaft.

Einer der erfolgreichsten Architekten dieser Industriebauten in Berlin war Peter Behrens (1868-1940).  Der ursprüngliche Künstler wurde zum Vorreiter des Industriedesigns und gilt als Erfinder von Corporate Architecture bzw. Corporate Design.  Er erlangte große Bekanntheit durch seine Arbeit für die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Das Unternehmen beauftragte Peter Behrens ab 1907 auf nahezu allen Gebieten der Gestaltung, indem er vom Briefbogen über die Produkte, wie elektrische Teekessel bis hin zu den Fabrikbauten, alles in einem einheitlichen Sinne gestaltete. Dabei entwickelte er nicht nur die Vorentwürfe des heutigen AEG-Logos, sondern beeinflusste das gesamte Erscheinungsbild des Unternehmens.

Seit den Anfängen von Peter Behrens ist es in Unternehmen üblich geworden, ein einheitliches Design und Architektur zu kreieren. So entwickelten auch andere Betriebe wie Siemens eine ähnliche Unternehmensphilosophie.

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Thomas Alva Edison um 1878
Titelblatt des Patents für Edisons Glühlampe
Peter Behrens um 1913
AEG Turbinenfabrik
AEG Turbinenhalle Fensterfront
Siemens Wernerwerk II
Wernerwerk Siemensstadt 1930
Siemens Schaltwerk-Hochhaus um 1940
AEG
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AEG

Emil Rathenau (1838-1915) war einer der ersten Gründer in Deutschland, der das Potential in den „Glühlampen“ von Thomas A. Edison erkannte und sie auf Ausstellungen in ganz Deutschland bekannt gemacht hat. Die bis 1883 erzielten Erfolge und Resultate führten dazu, dass er die „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrizität“ mit dem Lizenzrecht an Edisons Patenten für Deutschland gegründet hat, aus der 1887 die "Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft" (AEG) hervorging.

Das Unternehmen war durch seinen Gründer also maßgeblich an der weltweiten Elektrifizierung beteiligt und wuchs zu einem der größten deutschen Wirtschaftsunternehmen heran. Es produzierte alles, was für die Erzeugung, Verteilung und Anwendung des elektrischen Stroms nötig war: vom Kraftwerk bis hin zur Glühlampe.

Das Unternehmen erkannte schnell, dass neben den innovativen Produkten auch ein ausgeprägtes Unternehmenskonzept mit Wiedererkennbarkeit wichtig ist. Dafür wurde Peter Behrens engagiert, wodurch AEG zum Vorreiter für Industriedesign wurde.

Stilbildend für das Design der Gebäude von AEG ist die einheitliche Formensprache und Materialität. Die Hauptgestaltungsmerkmale sind Mauerwerksbögen, die Dachform des Tonnengewölbes, sowie die großflächigen Fensterfronten. Vorwiegend wurden die Gebäude aus Mauerwerk, Beton, Eisen und Glas errichtet, wobei das konstruktive Tragwerk nicht versteckt, sondern in Szene gesetzt wird. Zudem wurde das Firmenlogo repräsentativ an den Gebäudefronten platziert.

Turbinenfabrik

Die Turbinenfabrik an der Huttenstraße ist die bekannteste Industriehalle und gehört zu den berühmtesten Industriebauten des 20. Jahrhunderts. Die 123 Meter lange und 25 Meter hohe Halle wurde 1909 erbaut und von Peter Behrens und Karl Bernhard geplant. Das Gebäude gilt als Schlüsselbau der modernen Industriearchitektur und ist aus den damals als modern geltenden Materialien gestaltet: Beton, Eisen und Glas. Dabei wurde auf historisierenden Bauschmuck verzichtet. Der konstruktive Aufbau wurde nicht mehr versteckt, sondern bewusst in die Fassade integriert. Die Grundstruktur war somit erkennbar und diente gleichzeitig als Gestaltungsmittel. Die Turbinenhalle hat durch den Giebel mit den zwei Eckpylonen aus Beton und den großen Fenstern ein besonders markantes Erscheinungsbild.  Auch das große Firmensignet wurde bewusst auf dem Giebel platziert. Auf der Hofseite der Halle entstand außerdem eine zweigeschossige Nebenhalle für Zuarbeiten, die an der Längswand großzügig verglast wurde. 

Von 1939-41 wurde die Turbinenhalle um ca. 120 Meter erweitert. Dabei orientierte sich der Bau an dem Bestand, wobei die Konstruktion und der Fassadenaufbau vereinfacht wurden.

Heute wird die Halle noch wie früher zum Bauen von Turbinen genutzt. Durch die großzügige Gestaltung und den freien, hohen Innenraum ist eine Weiternutzung der Halle auch jetzt noch mit neueren, modernen und größeren Maschinen möglich.

AEG-Portal
Turbinenfabrik
Montagehalle
Innenraum Montagehalle
Apparatewerk
Fabrik am Humboldthain
Zentralstation IV
Gelände am Humboldthain
Südansicht
Ostansicht
Westansicht
Grundriss
Schnitt vordere Halle
Schnitt hintere Halle
Axometrie
Tragwerksstruktur
Siemens
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SIEMENS

Die Geschichte von Siemens hat ihren Ursprung 1847, als Werner von Siemens die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens und Halske" gründete. Mit der Zeit wurde aus dem Bau von Telegrafen und -linien der Bau von Dynamomaschinen und das Mitwirken bei der ersten elektrischen Eisenbahn der Welt (1866).  Im Jahr 1897 wird das Unternehmen zur Aktiengesellschaft. Es teilte sich in zwei Bereiche auf: den Schwachstrommarkt und die Starkstromtechnik. Letztere führt dazu, dass 1914 die Siemensstadt in Berlin-Spandau gegründet wurde, die der AEG Konkurrenz machte. Seitdem trägt das Unternehmen dazu bei, Berlin zu einer Musterstadt der metropolitanen Elektrifizierung zu machen. Die Besonderheit der "Elektropolis" liegt in der der engen Verbindung von Forschung, Entwicklung, Produktion und Anwendung.
Auch Siemens nutzte das Prinzip von Corporate Architecture und engagierte die eigenen Firmenarchitekten Karl Janisch und Hans Hertlein, die eine für die Firma stilbildende Architektur in der Siemensstadt entwickelten. Sie machten sich zum Ziel zeitlose Architekturen zu schaffen, um die nachhaltige Weiternutzung der Gebäude gewährleisten zu können. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts entwarf auch Siemens sehr funktionale Backstein-Bauten für ihre Hallen und Verwaltungsgebäude. Erst ab den 50er Jahren wurden diese beispielsweise durch  die berühmten Maurer-Hochhäuser abgelöst.
Die Architektur der Backstein-Bauten besticht durch eine kubische Formensprache. Das Hauptmerkmal bildet dabei der kirchenartige Turm mit der Uhr. Die durch Sprossen unterteilten Fenster sind in einem strengen Raster auf der Wandfläche angeordnet. Oft bilden die ummauerten Stützen ein Fassadenrelief.

Schaltwerk-Hochhaus

Das Schaltwerk-Hochhaus an der Nonnendammallee in der Siemensstadt war das damals erste Fabrikhochhaus Europas. Die zehngeschossige Hochhausscheibe mit einer Grundfläche von 176 x 16 Metern wurde von dem Architekten Hans Hertlin entworfen und von 1926-28 erbaut. Zuvor wurden an dieser Stelle mehrere Hallen in den Jahren von 1916-1922 errichtet. Später wurde das Hochhaus an die bestehenden Hallen angebaut. Das Gebäude zeichnet sich durch eine Stahlskelettkonstruktion mit rotbrauner Mauerwerksausfachung aus. Diese Gestaltung orientierte sich an den Hallen die dort zuvor entstanden sind.
Die Fassade wurde fernab von konventionellen Gestaltungsmustern entworfen und ist zurückhaltend und einfach gegliedert, wodurch sie eine eigene sachliche und schlichte Formsprache entwickelt. Die große Wandfläche wird durch die gleichmäßige Fensterabfolge strukturiert, wobei die Fenster durch vertikale Pfeiler voneinander getrennt werden. Auffällig sind jedoch die vier Treppenhaustürme, die einen Kontrast zu der Horizontalen des Hochhauses bilden. Auf Bauschmuck wurde komplett verzichtet, es wurde lediglich das heute nicht mehr vorhandene Firmensignet an die oberste Stelle der schmalen Südseite angebracht.
In jedem Stockwerk befinden sich große Räume, die sich flexibel unterteilen lassen und damit sowohl als Produktionsflächen, als auch für Büro- oder Lagerräume genutzt werden konnten.

Wernerwerk mit Siemensturm
Wernerwerk II
Schaltwerk-Hochhaus
Wernerwerkdamm
Nordansicht
Ostansicht
Südansicht
Westansicht
Grundriss
Schnitt

FAZIT

Die Analyse der Gebäude zeigt, dass beide Unternehmen eine prägnante Architektur hervorgebracht haben, mit ganz eigenen identitätsbildenden Gestaltungsmerkmalen. Nichtsdestotrotz haben die Gebäude Gemeinsamkeiten in der schlichten und funktionalen Formsprache. Das zeitlose und flexibel gestaltete Design ermöglichte eine Weiternutzung bis heute. 

 

Nicht nur berühmte Architekturikonen wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier arbeiteten eng mit Peter Behrens zusammen. Die damaligen Entwurfsprinzipien wirkten sich sogar auf die Bauhaus-Bewegung aus. Zudem wird auch zukünftig die Kommunikation und Steuerung der Außen- und Innenwahrnehmung durch das Konzipieren identitätsstiftende Gebäude relevant sein. Corporate Architecture und Corporate Design betreffen dabei nicht nur große Unternehmen. Eine Gestaltung mit hohem Wiedererkennungswert, welche die Markenbotschaft vermittelt, ist allgegenwärtig.

Verortung

VERORTUNG DER GEBÄUDE

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